Unternehmer kauft Firma aus Konzern zurück – für seine Söhne

12. Dezember 2023

ry1a9197 bea

Von: Thomas Machatzke / come-on.de

Lüdenscheid – Wenn die Dinge sich anders entwickeln als in so vielen Fällen, schaut die Öffentlichkeit hin und staunt. Wenn ein Unternehmer zuletzt – der neuen Märkte und Rahmenbedingungen müde – seine Firma an einen großen Konzern verkaufte, war es keine Ausnahme, dass es danach irgendwann mit der Firma bergab ging.

Rationalisierung, Personalabbau, nicht selten ganz am Ende die Schließung eines Standorts. Und die Öffentlichkeit schaute traurig hin und fühlte mit den Arbeitnehmern, die ihren Job verloren.

Die Geschichte aus dem interkommunalen Gewerbegebiet am Golsberg zwischen Lüdenscheid und Schalksmühle ist eine andere. Hier hat Ingo Vogler gerade die eigene Firma zurückgekauft – und will sie mit seinem Know-how und einem anderen Ansatz als ihn zuletzt die Steuerer aus der Ferne verfolgten, wieder zurückführen in den rentablen Bereich. Mit harter, ehrlicher Arbeit.

Vogler: Erfolgsgeschichte von 1990 bis 2014

Rückblick: 1990 gründete Ingo Vogler gemeinsam mit seinem Bruder Oliver das Unternehmen. Ingo Vogler hatte eine Schreiner-Ausbildung gemacht, sein Bruder hatte Maler und Lackierer gelernt. Zusammen hatte man die Idee, die in der Folge Ingo Vogler als Chef des Lohnbeschichters verfolgte.

„Vogler hat sich auf die Kunststofflackierung spezialisiert und bietet dekorative, multifunktionale und anspruchsvolle Beschichtungen für vielfältige Anwendungsszenarien“, stellte das Magazin Besser Lackieren zuletzt das Portfolio vor, „dazu zählen optisch perfekte Dekor -und Bedienelemente im Automobilbereich, kratzfeste Designoberflächen wie Schalter und Tasten im Interieur-Bereich, farbige Abdeckungen von Steckdosen oder Lichtschaltern für Elektronikbauteile, hochwertig metallisierte Oberflächen in Chromoptik für den Bereich Weiße Ware.“

Die Geschichte wurde jedenfalls eine Erfolgsgeschichte. In besten Zeiten arbeiteten 300 Mitarbeiter in der neuen Firmenhalle am Golsberg – 11 000 Quadratmeter Produktionsfläche, 1200 Quadratmeter Logistikfläche. Doch nach 24 Jahren hatte Ingo Vogler genug. 47 Jahre alt war der Schalksmühler da.

„Ich war einfach müde“, sagt er auch mit Blick auf schon damals immer neue Bürokratie und Rahmenbedingungen, die ihm das Leben schwer machten. 2014 verkaufte er die Firma an Nanogate und wurde Privatier. „Ich habe keine Langeweile gehabt“, sagt Ingo Vogler, „Immobilien in Spanien, auch in Lüdenscheid. Da gab’s immer was zu tun.“ Auch im Motorsport blieb er weiter aktiv und bestritt erfolgreich Rennen.

ry1a8858 bea min

Tim Vogler

ry1a8767 bea min

Lou Vogler

Aus der Zuschauerposition sah er mit an, wie es mit dem Unternehmen bergab ging. Als er verkaufte, hatte es noch 240 Mitarbeiter. Doch es wurden weniger, im Juni 2020 folgte die Insolvenz, am 1. Juli 2021 übernahm die US-amerikanische Techniplas-Gruppe am Golsberg das Regiment.

Doch besser ist es damit nicht geworden. „2022 war ein Katastrophenjahr, das erste Halbjahr 2023 auch nicht besser“, sagt Ingo Vogler. Der Standort habe vor der Schließung gestanden. Heruntergewirtschaftet auf 140 Mitarbeiter. Und so reifte der Plan, es wieder selbst in die Hand zu nehmen.

Dabei weist Ingo Vogler den Gedanken zurück, dass ihm das Herz geblutet haben könnte beim Anblick des Zerfalls. Ein bisschen vielleicht. Vor allem aber hatten seine beiden Söhne Tim und Lou ihm diese Idee unterbreitet. „2014 waren sie noch zu jung, nun sind die 24 und 26, das passt gut“, sagt Ingo Vogler, „dazu geht es natürlich auch um die Halle am Golsberg.“ Vogler hatte die Halle an die Amerikaner vermietet, eine Schließung des Standorts hätte ihn auch persönlich getroffen.

Vogler kauf Unternehmen zurück – das Ziel: Zurück in die schwarzen Zahlen

So hat er im August wieder übernommen. Gepflegtes Gebäude, gepflegte Umlage, funktionierendes Nachtlicht – manches hat sich schnell korrigieren lassen, anderes braucht länger, gerade in dieser Zeit. „Aber ich bin zuversichtlich, das wir bis zum Ende des Jahres wieder eine schwarze Null schreiben“, sagt Ingo Vogler, „die letzten zwei Jahre haben sich brutal schlecht entwickelt. Da hat man das Vertrauen in die Politik verlieren können. Die Automobilbranche, die 80 Prozent unserer Arbeit ausmacht, ist vor die Wand gefahren worden. Und die Baubranche, für die wir 20 Prozent der Arbeit machen, liegt auch am Boden.“

Wie aber schafft er es trotzdem, dass es wieder bergauf geht? „Der Kernpunkt der Misere ist doch, dass hier alles hoffnungslos überreguliert war“, sagt er, „hier sind zig Leute mit schicken Tablets rumgelaufen, haben Excel-Listen erstellt und Power-Point-Präsentation erarbeitet. Aber für die kleinste Entscheidung haben sie drei Monate gebraucht. Niemand hatte die Eier, etwas zu entscheiden, wie der Sauerländer sagt. Da sind Zahlen in Excel-Listen geschrieben worden, aber lesen und daraus etwas ableiten konnten sie nicht. Ich kann überhaupt kein Excel. Aber eines weiß ich: Wenn man ein bisschen rechnen und strategisch denken kann, dann kann man noch immer etwas bewegen in dieser Welt.“

Ingo Vogler hat eine klare Vorstellung davon, wie es aufwärts gehen soll: Mehr Projekte, mehr Aufträge, auch wieder mehr Mitarbeiter. „Für 140 ist die Halle viel zu groß“, sagt er. Vor allem Mitarbeiter in der Produktion, bei der Buchhaltung dagegen hat er wieder abgespeckt von vier auf eineinhalb. Acht wichtige Mitarbeiter hatten Nanogate und die Techniplas-Gruppe nach und nach vergrault. Vogler hat sie zurückgeholt, auch seinen Bruder, der zwischenzeitlich nach Ingolstadt gewechselt war.

Und Ingo Vogler hat auch eine Vorstellung, wie gearbeitet wird für die Zukunft, ganz konkret: Teamwork ist das Zauberwort. Gesellschafter des Unternehmens nach dem Rückkauf ist nicht er, es sind seine Söhne Lou und Tim. Geschäftsführer des Unternehmens sind der Vater und die beiden Söhne, die Bank hat’s so gewollt.

Und die Söhne, sie sollen nun reinwachsen in die Aufgabe. Lou hat als Kfz-Mechatroniker eine praktische Ausbildung gemacht und wird von Oliver Vogler in die Haus- und Maschinentechnik eingearbeitet. Das war immer Oliver Voglers Aufgabe gewesen. Tim Vogler hat eine kaufmännische Ausbildung gemacht und kümmert sich nun um den kaufmännischen Bereich.

Ingo Vogler unterstützt ihn dabei, wo es nötig ist. Aber ohne eigenen Schreibtisch, den hat er nämlich gar nicht mehr am Golsberg. „Alles, was unterschrieben werden muss, geht über den Schreibtisch meiner Söhne“, sagt Ingo Vogler. Es ist sein Weg in die Zukunft, und der 57-Jährige ist sicher, dass dieser Weg sein Unternehmen zurück zum Erfolg führen wird.